Im frühen Pleistozän (an das sich die Dinosaurier, Schlachtrösser, und Drachinnen unter uns noch erinnern) gab es Verwirrungen wie
"Fau darf ohne Zustimmung ihres Mannes nicht arbeiten"
bzw.
"Mann darf Job seiner Frau kündigen"
, Frauen die in Männerberufe wollten stiessen auf noch deutlich mehr Widerstand, usw.
Es ist inzwischen etwas einfacher für Frauen, das selbe zu tun wie Männer.
Dass Frauen jetzt eher Zugang zu traditionell männlichen assoziierten Tätigkeiten haben und das "An Bord nehmen" männlich assoziierter
skills und Attribute auf weniger negative Sanktionen stösst, ist eine feine Sache.
Und offenbar ist es genug für einige (insbesondere auch weibliche Piraten), um Postfeminismus – mal mehr, mal weniger im
Definitionssinn – auszurufen:
"Wieso, ich darf doch jetzt alles das Männer auch dürfen; Feminismus hat fertig."
Ob diese Attribute nun "angeboren" waren oder ob frau sie bewusst oder unbewusst akquiriert hat weil was männlich konnotiert ist oft auch als gut konnotiert ist (und in manchem Fall auch besser bezahlt wird), darüber will ich hier gar nicht Kaffeesatz lesen.
Der Punkt der da aber meiner Einschätzung nach nicht gesehen wird ist, dass
"Wir dürfen jetzt das selbe wie die Männers"
ein Erfolg ist, aber nicht das Endziel – das wäre erreicht, wenn Frauen nicht nur Zugang zu "männlichen" Attributen hätten, sondern wenn traditionell weiblich Attributiertes vergleichbar gewertschätzt würde.
Überspitzt liest sich der Piratenstandpunkt da schnell wie,
"Wir sind keine Sexisten, bei uns darf jede/r ein Mann sein!"
, und die Kritik mancher Frauen wie,
"Wollen wir aber gar nicht."
D.h. zu prüfen wäre aus dieser Sicht insbesondere, ob der Anspruch
"nur Leistung/Kompetenz zählt"
tatsächlich geschlechtsneutral gemessen wird.
Die Aussage
"Wir Piraten glauben, dass wir nur auf Leistungsdaten schauen; eine Unterscheidung Pirat/Piratin konstruiert hier also eine Unterscheidung - Sexismus! -, der in der Partei so gar nicht existiert."
ignoriert aber, dass selbst wenn die Piratpartei ein geschlechtsneutrales Genderparadies sein sollte, es der Rest der Nation beileibe noch nicht ist. Von daher erscheint die Aussage
"Wir Piraten diskriminieren nicht, also brauchen wir auch keine Lösungen für Diskriminierung"
etwas kurz gedacht.
Ich unterstelle da durchaus erstmal guten Willen – vielleicht ist
"Wir messen die Leute uneingedenk ihres wahrgenommenen Geschlechts an ihrer Leistung (wenn auch vielleicht nach 'männlichen Massstaeben' where applicable)"
tatsächlich eine völlige Selbstverständlichkeit in weiten Teilen der Piratpartei. Neben der o.g. Frage
"Hat Feminismus fertig, wenn alle gleiches dürfen, oder erst, wenn Wertmassstäbe entrümpelt wurden?"
, habe ich somit den Eindruck, dass die Herangehensweise unterschiedlich ist: einerseits Unisex-
"Pirat"
um Gleichheit jetzt zu leben, und andererseits
"Piratin"
um darauf hinzuweisen, dass Gleichheit eben noch nicht besteht.
Ich selbst werde dann sehr gern Postfeministin – im Postpatriarchat.
"Dann auch gern 'Pirat', bis dahin 'Piratin'"
würde ich gern hinzufügen weil es einen so schönen Schlussatz gäbe, aber da bin ich zur Zeit nicht eligible – ich habe abseits von Gender-Fragen derzeit noch
andere bones of contention mit "den Piraten", ausserdem gibt es wo ich wohne nicht mal Piraten, "mehrere tausend km in jede Richtung."
In jedem Fall halte ich Synthese aber nicht für logisch unmöglich – es ist ja durchaus machbar, sich einerseits davon loszusagen Eigenschaften als "typisch männlich" und "typisch weiblich" zu attributieren, zu sagen,
"Menschen müssen da gar nicht zwei völlig disjunkte Gruppen sein"
– das wäre dann
"Pirat" auch für Frauen
, das
Ziel, der
Soll-Zustand –, aber gleichzeitig anzuerkennen, dass aufgrund (konstruierter?) Unterschiede Frauen in der Gesellschaft
noch benachteiligt sind – das wäre dann
"Piratin"
, der zu überwindende
Ist-Zustand.
Das Problem ist mithin, dass das "neutrale"
Pirat
einerseits als progressiv, als "gelebte Zukunft" erlebbar ist, und andererseits als reaktionär, als "gelebte Vergangenheit." Missverständnisse sind so programmiert.
In diesem Sinne scheint aber das von den zufällig oder vorsätzlich "eher männermassstabskompatiblen weiblichen Piraten" (++uff!!)

suggerierte,
"Wieso, ich darf doch die sein die ich sein wollte, also gibt es auch kein Problem"
nicht zielführend.
Addendum
Prima Artikel, oft weniger schlaue Kommentare. Weniger schlau ist es nicht notwendigerweise, andere Prioritäten zu haben; weniger schlau ist es aber, Leute anzupampen und sich dann zu wundern, wenn Leute wegbleiben und sich ggf. engagieren wo der Diskurs zivilisierter ist.
Addendum
Noch mehr
interessante Piratenkritik.
Addendum
Und wie schon die Smiths wussten:
The story is old, but it goes on
musikdieb.de on : Piraten und das Binnen-I